Linda Heitmann – Die Grünen

Bildquelle: Henning Angerer, Grüne Hamburg

Bildung

Schon seit Langem wird das deutsche Bildungssystem belastet durch Missstände, wie Lehrermangel, verfallene Räume und Chancenungleichheit. Die Pandemiebedingungen haben zusätzlich gezeigt, dass das deutsche Schulsystem nicht ausreichend auf digitales Lernen vorbereitet ist und gerade sozio-ökonomisch benachteiligte Kinder kaum unterstützt werden können.

Welche finanziellen Mittel werden betroffenen Schulen zur Verfügung gestellt, um deren Gebäude und Räumlichkeiten zu sanieren und ein offenes, gesundes Lernumfeld zu schaffen?

Linda Heitmann: „Das Themenfeld Bildungspolitik und auch Instandhaltung von Schulgebäuden liegt in erster Linie in der Hoheit der Bundesländer und Hamburg hat hier vor über 10 Jahren unter dem Dach der Finanzbehörde den Dienstleister „Schulbau Hamburg“ gegründet, der für Sanierung, Neubau und auch Bewirtschaftung der Hamburger Schulgebäude zuständig ist. Schulbau Hamburg arbeitet seitdem mit Hochdruck und auch vernünftiger finanzieller Ausstattung, um dem lange vernachlässigten Sanierungsstau wirksam zu begegnen und auch den wachsenden Schüler*innenzahlen gerecht zu werden. Von 2011 bis 2019 wurden insgesamt rund 3,3 Milliarden Euro in den Bau, die Sanierung und die Instandhaltung der Hamburger Schulgebäude investiert. Aber zugegebenermaßen könnte und sollte es mehr sein und schneller gehen.

Im Koalitionsvertrag haben wir Grünen mitbeschlossen, bis 2030 über 4 Milliarden Euro in den Schulbau zu investieren und damit mehr als die Hälfte aller staatlichen Schulen zu sanieren, zu erneuern und auszubauen. Zusätzlich werden über 44 neue Schulen gebaut und 123 Standorte erweitert.

Allein im Bürgerschafts-Wahlkreis Altona (Altona-Altstadt, Altona-Nord, Ottensen, Bahrenfeld, Othmarschen und Sternschanze) als Teil meines Wahlkreises Altona werden in den Jahren 2021 und 2022 in die allgemeinbildenden Schulen rund 42 Millionen Euro investiert, davon rund 6 Millionen Euro in Neubauten und 36 Millionen Euro in Sanierungen.

Uns Grünen ist es auch bundesweit wichtig, bessere Rahmenbedingungen für Bildung und Schule zu schaffen und Schulen zu attraktiven Lehr- und Lernorten zu gestalten. Daher machen wir uns auch dafür stark, dass Dienstleister wie „Schulbau Hamburg“ auch durch Bundesmittel unterstützt werden. Wir wollen dauerhafte Finanzierungswege für mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen, um Schulen in Regionen und Quartieren mit besonderem Unterstützungsbedarf zu stärken.

Um ganz allgemein mehr Investitionen in so wichtige Infrastruktur wie unsere Schulen zu ermöglichen, wollen wir die Schuldenbremse für Bund und Länder zeitgemäß gestalten und eine Personaloffensive in Planungsbehörden und zuständigen Gerichten starten, die die Verfahren beschleunigen soll. Zur bundesweiten Förderung von Schüler*innen bedarf es einer einfachen Fördermittelbeantragung durch die Schulen ohne bürokratische Hürden des Bundes.“

Welche Reformen sind geplant, um den Lehrplan und Lehrmethoden, vor allem in Hinblick auf Chancenungleichheit von Schüler*innen und Digitalisierung zu modernisieren?

Linda Heitmann: „Die soziale Spaltung, die vielfach schon in KiTas, später auch an Schulen, sichtbar wird, möchten wir als Grüne dringend verringern – auch durch gezielte Investitionen des Bundes, die lokal verteilt werden.

Hamburg geht hier den Weg, die Bildungsregionen jeweils nach Sozialfaktoren zu bewerten und in den Regionen mit niedrigem Sozialindex kleinere Klassengrößen sowie eine bessere Lehrer*innen-Ausstattung zu verwirklichen. Dies ist aus unserer Sicht grundsätzlich ein guter Ansatz.

Mehrsprachigkeit muss zudem endlich wirklich als Chance begriffen und mit entsprechenden Lehrangeboten gezielt gefördert werden, anstatt sie als Defizit anzusehen.

Ein verbindlicher Anspruch auf Ganztages-Angebote, wie wir Grüne es bundesweit fordern, ist in Hamburg schon Wirklichkeit. Dabei braucht es aber auch genügend Fachkräfte in multiprofessionellen Teams aus Lehrkräften, Schulsozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und Schulpsycholog*innen sowie eine breit gefächerte Zusammenarbeit mit Vereinen, Musikschulen und anderen Akteur*innen vor Ort. Derartige Kooperationen wollen wir auch von Bundesebene finanziell unterstützen. In der Gestaltung des Ganztages ist die Jugendhilfe ein wichtige Partnerin der Schulen, da im Ganztag neben dem schulischen Lernen die informelle Bildung unerlässlich ist.“

Corona und Bildung

Die Covid-19-Pandemie hat Lernrückstände an Schulen zur Folge. Je nach Schule fallen diese sehr unterschiedlich aus. Um die verpassten Schulstunden zu ersetzten wurden in Hamburg, an den meisten Schulen, bereits sogenannte „Lernferien“ angeboten. Diese finden in den Schulferien statt und Schüler*innen können freiwillig teilnehmen. Doch die Probleme, die Homeschooling für SuS mit sich brachte, sind häufig vielschichtiger als bloß verpasster Schulstoff und sind nicht allein durch freiwillige Extraarbeit in den Ferien zu beseitigen.

Mit welchen langfristigen Konzepten und Geldern planen Sie, den Folgen der Pandemie für SuS angemessen und den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, zu begegnen?

Linda Heitmann: „Die Pandemie hat in der Tat tiefe Spuren hinterlassen, gerade bei Kindern, die es zu Hause auch davor schon schwerer hatten. Sommercamps und Nachhilfe in den Kernfächern alleine werden nicht ausreichen, um die Folgen der Krise zu bewältigen. In erster Linie ist es nun wichtig, dass die Schulen bei der nächsten Welle nicht wieder im Betrieb eingeschränkt werden, sondern Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit rücken.

Dafür wollen wir Sport-, Erlebnis-, und Kulturangebote ausbauen, die Beratung und Einzelfallhilfe für Schüler*innen stärken sowie die Vermittlung von Wissen zur psychischen Gesundheit und zu Krisen an Schulen verbessern. Mit Mentor*innen, Bildungslots*innen, Schulsozialarbeiter*innen und Psycholog*innen knüpfen wir ein sicheres Netz an breiter Unterstützung, um die psychische Gesundheit von unseren Kindern und Jugendlichen nachhaltig besser zu schützen. Jedes zusätzliche Angebot für die Krisenbewältigung soll die Qualität an KiTas, Horten und Schulen langfristig voranbringen.“

Politische Bildung

Politische Bildung ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung einer offenen, vielfältigen und kritischen Gesellschaft und stärkt eine streitbare Demokratie. Viele Schüler*innen fordern mehr politische Bildung auch in Schule, damit politisches Interesse selbstverständlicher wird und die Wahlpflicht verantwortungsbewusst genutzt wird.

Wie stehen Sie dazu Politische Bildung in den Rahmenlehrplan zu verankern?

Linda Heitmann: „Politische Bildung ist meiner Kenntnis nach im Rahmenlehrplan bereits verankert und das ist auch richtig und wichtig so.“

Gleichberechtigung

Zwischendurch eine kleine und schnelle Ja/Nein Frage: Der Paragraf §218, welcher Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, wenn sie nicht gewissen Kriterien entsprechen, existiert nun schon seit über 150 Jahren und wird schon lange kritisiert.  §219 das sog. Werbeverbot von Schwangerschaftsabbrüchen wurde während des Nationalsozialismus eingeführt. Sind sie dafür diese beiden Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen?

Linda Heitmann: „Ja, dafür setze ich mich ein. Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu haben, bedeutet auch, dass Frauen sich von fachkundigen Ärzt*innen über Schwangerschaftsabbrüche informieren lassen können müssen. Dass solche Informationen auch nach jüngster Rechtsprechung als Werbung eingestuft werden, ist nicht zu verstehen.

Ich bin mir sehr sicher, keine Frau macht sich die Entscheidung leicht, eine Schwangerschaft zu beenden und dass Frauen dann noch nicht einmal Zugriff auf fachkundige Informationen haben, macht es nicht besser.“

Klimawandel/ Nachhaltigkeit

Die Klimakrise sie ist eine reale Herausforderung und bedeutet auf lange Sicht auch mehr soziale Ungerechtigkeit. Dabei ist vor allem Zukunft von jungen Menschen bedroht.

Laut der CO2-Bilanz Hamburgs, fällt rund die Hälfte des CO²Ausstoßes der Stadt Hamburg auf den wirtschaftlichen Sektor, wie z.B den Hamburger Hafen. Was tun Sie und ihre Partei, um Hamburgs Wirtschaft nachhaltiger und klimaneutraler zu gestalten?

Linda Heitmann: „Klimaneutralität heißt: raus aus den fossilen Energien. Neben der Tatsache, dass die Verbrennung fossiler Energien CO2 freisetzt, müssen wir uns immer auch vor Augen führen, dass diese Energieträger endlich sind und es daher keinen anderen Weg gibt, als auf Erneuerbare umzusteigen.

Nicht nur der Strom, auch das Benzin in unseren Autos, das Kerosin im Flugzeugtank, das Schweröl im Schiff, das Öl für die Heizung und das Gas im Industriebetrieb müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Das ist nichts weniger als eine Energierevolution und auch für Hamburgs Betriebe eine große Herausforderung. Aber sie ist alternativlos. Dazu braucht es zuallererst eine massive Ausbauoffensive für die Erneuerbaren, die so schnell wie möglich umgesetzt wird.

Wir wollen mit ehrgeizigen Vorgaben in Form von Grenzwerten, CO2- Reduktionszielen und Produktstandards der deutschen und europäischen Wirtschaft Planungssicherheit geben und Impulse für neue Investitionen setzen.“

Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um die Klimakrise aufzuhalten? Was wird für den Klimaschutz und die Klimagerechtigkeit zukünftig getan?

Linda Heitmann: „Um Klimaschutz politisch wirksam voranzubringen, braucht es aus meiner Sicht Anstrengungen insbesondere in drei großen Bereichen: die CO2-Emmissionen großer verarbeitender Industrieunternehmen müssen stark reduziert werden, wir brauchen eine echte Mobilitätswende, um Emissionen auch im Straßen- und Flugverkehr zu reduzieren und wir müssen in Wohnraum mit guter Wärmedämmung und niedrigem Energieverbrauch investieren.

Unser diese Woche veröffentlichtes Klimaschutzsofortprogramm für die nächste Bundesregierung stellt folgende Punkte ins Zentrum:

1. Erneuerbare Energien schneller ausbauen
2. Den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen
3. Wirtschaft und Industrie auf Klimaneutralität ausrichten
4. Klima-Offensive bei Gebäuden und im Bausektor starten
5. Mobilitätswende beschleunigen
6. Grünen Wasserstoff stärken
7. Klimaschutz, Natur und Landwirtschaft zusammenbringen
8. Klimaschutz sozial gerecht gestalten
9. Bundeshaushalt zum Klimahaushalt machen
10. EU zur Klimavorreiterin machen, Klimaaußenpolitik vorantreiben“

Soziale Wohnungspolitik

Anhaltende Gentrifizierung, steigende Mieten und Wohnungsknappheit stellen ein Problem auch in Altona dar. Jahr für Jahr werden immer noch tausende Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt, die sich nur Besserverdienende leisten können. Der sogenannte Drittelmix greift nicht und nur etwa jede vierte neue Wohnung in Hamburg ist tatsächlich auch eine Sozialwohnung. Die Folge ist, dass Menschen mit geringerem Einkommen, Familien und Wohnungslose kaum eine bezahlbare Wohnung finden können.

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die angespannte Wohnungsmarktsituation zu entschärfen?

Linda Heitmann: „Wohnen ist ein soziales Grundrecht und der Wohnungsmarkt darf kein Ort für Spekulant*innen sein. Wir Grünen wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen, zudem werden wir einen Wohn- und Mietengipfel einberufen, der einen echten Dialog auf Augenhöhe zwischen den Mieter*innen-Vertretungen, der Wohnungswirtschaft  sowie Bund, Ländern und Kommunen schafft und gemeinsam neue, zukunftsfähige und soziale Konzepte erarbeitet.“

Gibt es Ansätze ein andere Mietpreisbremse zu formulieren?

Linda Heitmann: „Auch die Nachbesserungen der Mietpreisbremse im April 2020 haben die Mietpreisentwicklung nicht wirklich gedämpft zumal sie nur für Wohnungen gilt, die vor 2014 erstellt wurden. Für eine nachhaltige Dämpfung des Mietpreisanstieges bedarf es einer umfassenderen Strategie, von Änderungen beim Mietenspiegel über engere Grenzen bei der Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei Neuvermietung bis hin zu dem verstärkten Bau dauerhaft günstiger Mietwohnungen, insbesondere auch durch Genossenschaften.

Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden. Dazu wollen wir qualifizierte Mietspiegel stärken, verbreiten und rechtssicher ausgestalten.“

Wie kann gewährleistet werden, dass wir Jugendliche später uns hier eine Wohnung leisten können?

Linda Heitmann: „Hamburg hat durch die langjährige Kooperation mit den Wohnungsbau- und Immobilienverbänden sowie insbesondere der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft SAGA und den Genossenschaften anders als andere Städte gute Voraussetzungen, ohne Mietendeckel den Wohnungsbau voranzubringen und das Wohnungsangebot für alle zu verbessern.

Wir wollen auf Bundesebene den sozialen Wohnungsbau deutlich stärken, indem wir alle Kommunen unterstützen, ihre Wohnungsgesellschaften zu stärken, zu erhalten und neue zu gründen. Vorhandene bundeseigene Bestände sollen nicht mehr an private Investor*innen veräußert werden, sondern mit dauerhafter Sozialbindung an die Kommunen abgegeben werden. Zudem soll baurechtlich ermöglicht werden, sozialen Wohnungsbau stärker festsetzen zu können.

Auch baulich kann Hamburg in Gebieten mit Nachverdichtungspotential oder mit Neubau eine höhere Bebauung ermöglichen. Höhen von ca. sechs Geschossen hat es in urbanen Gebieten schon im 20. Jahrhundert gegeben. Dagegen ist die Nachkriegsbebauung häufig nicht über 2-4 Geschosse hinausgegangen. Insbesondere Aufstockungen wurden durch die Änderung der HBauO in den letzten Jahren erleichtert. Diese Möglichkeiten sollten noch stärker genutzt werden, und dafür sollte sich die Stadt einsetzen, denn so kann neuer Wohnraum geschaffen werden, ohne Grünflächen zu versiegeln.“